18 Haziran 2009 Perşembe

Gedichte und Sprüche von Heinrich Heine

Alte Rose

Eine Rosenknospe war
Sie, für die mein Herz erglühte;
Doch sie wuchs, und wunderbar
Schoss sie auf zu voller Blüte.

Ward die schönste Ros im Land,
Und ich wollt die Rose brechen,
Doch sie wusste mich pikant
Mit den Dornen fortzustechen.

Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
Und verklatscht von Wind und Regen -
Liebster Heinrich bin ich jetzt,
Liebend kommt sie mir entgegen.

Heinrich hinten, Heinrich vorn,
Klingt es jetzt mit süssen Toenen;
Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
Ist es an dem Kinn der Schönen.

Allzu hart die Borsten sind,
Die des Kinnes Wärzchen zieren-
Geh ins Kloster, liebstes Kind,
Oder lasse dich rasieren



Altes Lied

Du bist gestorben und weißt es nicht,
Erloschen ist dein Augenlicht,
Erblichen ist dein rotes Mündchen,
Und du bist tot, mein totes Kindchen.

In einer schaurigen Sommernacht
Hab ich dich selber zu Grabe gebracht;
Klaglieder die Nachtigallen sangen,
Die Sterne sind mit zur Leiche gegangen.

Der Zug, der zog den Wald vorbei,
Dort widerhallt die Litanei;
Die Tannen, in Trauermäntel vermummet,
Sie haben Totengebete gebrummet.

Am Weidensee vorüber gings,
Die Elfen tanzten inmitten des Rings;
Sie blieben plötzlich stehen und schienen
Uns anzuschaun mit Beileidsmienen.

Und als wir kamen zu deinem Grab,
Da stieg der Mond vom Himmel herab.
Er hielt eine Rede. Ein Schluchzen und Stöhnen,
Und in der Ferne die Glocken tönen



Angelique

Fürchte nichts, geliebte Seele,
übersicher bist du hier;
fürchte nicht, dass man uns stehle,

ich verriegle schon die Tür.
Wie der Wind auch wütend wehe,
er gefährdet nicht das Haus;
dass auch nicht ein Brand entstehe,

lösch ich unsere Lampe aus.
Auch, erlaube, dass ich winde
meinen Arm um deinen Hals;
man erkältet sich geschwinde
in Ermanglung eines Schals.



Anno 1839

O, Deutschland, meine ferne Liebe,
Gedenk ich deiner, wein ich fast!
Das muntre Frankreich scheint mir trübe,
Das leichte Volk wird mir zur Last.

Nur der Verstand, so kalt und trocken,
Herrscht in dem witzigen Paris -
Oh, Narrheitsglöcklein, Glaubensglocken,
Wie klingelt ihr daheim so süß!

Höfliche Männer! Doch verdrossen
Geb ich den artgen Gruß zurück.
Die Grobheit, die ich einst genossen
Im Vaterland, das war mein Glück!

Lächelnde Weiber! Plappern immer,
Wie Mühlenräder, stets bewegt!
Da lob ich Deutschlands Frauenzimmer,
Das schweigend sich zu Bette legt.

Und alles dreht sich hier im Kreise,
Mit Ungestüm, wie'n toller Traum!
Bei uns bleibt alles hübsch im Gleise,
Wie angenagelt, rührt sich kaum.

Mir ist, als hört ich fern erklingen
Nachtwächterhörner, sanft und traut;
Nachtwächterlieder hör ich singen,
Dazwischen Nachtigallenlaut.

Dem Dichter war so wohl daheime,
In Schildas teurem Eichenhain!
Dort wob ich meinee zarten Reime
Aus Veilchenduft und Mondenschein.



Auf den Flügeln des Gesanges ...

Auf den Flügeln des Gesanges,
Herzliebchen, trag' ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.

Dort liegt ein rotblühender Garten
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosblumen erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.

Die Veilchen kichern und kosen
Und schaun nach den Sternen empor;
Heimlich erzählen die Rosen
Sich duftende Märchen ins Ohr.

Es hüpfen herbei und lauschen
Die frommen und klugen Gazellen;
Und in der Ferne rauschen
Des heiligen Stromes Wellen.

Dort wollen wir niedersinken
Unter den Palmenbaum,
Und Lieb' und Ruhe trinken
Und träumen den seligen Traum

Gedichte und Sprüche von Rose Ausländer

Aber ich weiß

War ich ein Falter
vor meiner Geburt
ein Baum oder
ein Stern

Ich habe es vergessen

Aber ich weiß
daß ich war
und sein werde

Augenblicke
aus Ewigkeit



Abschied (3)

Du gingst von mir, gefolgt von meiner Ruh,
die meiner Seele leere Wohnung mied.
Du schwiegst zu allem, was ich um dich litt,
und deine Güte schlug die Augen zu.

Und doch hab ich dir alles dies verziehn -:
der Groll zieht weiter, und die Liebe bleibt.
Wie du auch fliehst, du kannst mir nicht entfliehn:
ich bleibe deinem Wesen einverleibt.

So nehm ich Abschied, ganz in dich getaucht:
du bist in mir, wo du auch immer seist!
Hat je ein Gott so Herz in Herz gehaucht,
so innig eingewoben Geist in Geist?



Allee

Ich höre das Herz
des Oleanders
gehe durch die grüne Allee
mit Blüten und Dornen
im Bund
ein Zipfelchen Zeit
in der Tasche



Almosen

Ich gehe von Haus zu Haus
Bettelmönch
Brotworte sammeln
Goldmünzen
mit stolzen Köpfen
ich grüße sie
bitte um Spende

Sie sehen an mir vorbei und
lächeln

In meine Almosenschale
fällt Schnee



Auf der Sichel

Auf der Sichel
reite ich

ströme
durch Venedigs Paläste

benetze
den Farn

Tautropfen
und Magie

Zaubernacht

Gedichte und Sprüche von Aristoteles

01. Poetik - Von der Dichtkunst selbst

Von der Dichtkunst selbst und von ihren Gattungen, welche Wirkung eine jede hat und wie man die Handlungen zusammenfügen muß, wenn die Dichtung gut sein soll, ferner aus wie vielen und was für Teilen eine Dichtung besteht, und ebenso auch von den anderen Dingen, die zu demselben Thema gehören, wollen wir hier handeln, indem wir der Sache gemäß zuerst das untersuchen, was das erste ist. Die Epik und die tragische Dichtung, ferner die Komödie und die Dithyrambendichtung sowie - größtenteils - das Flöten- und Zitherspiel: sie alle sind, als Ganzes betrachtet, Nachahmungen. Sie unterscheiden sich jedoch in dreifacher Hinsicht voneinander: entweder dadurch, daß sie durch je verschiedene Mittel, oder dadurch, daß sie je verschiedene Gegenstände, oder dadurch, daß sie auf je verschiedene und nicht auf dieselbe Weise nachahmen. Denn wie manche mit Farben und mit Formen, indem sie Ähnlichkeiten herstellen, vielerlei nachahmen - die einen auf Grund von Kunstregeln, die anderen durch Übung - und andere mit ihrer Stimme, ebenso verhält es sich auch bei den genannten Künsten: sie alle bewerkstelligen die Nachahmung mit Hilfe bestimmter Mittel, nämlich mit Hilfe des Rhythmus und der Sprache und der Melodie, und zwar verwenden sie diese Mittel teils einzeln, teils zugleich. Zum Beispiel verwenden das Flöten- und Zitherspiel- sowie andere Künste, welche dieselbe Wirkung haben, etwa das Spiel der Syrinx - nur Melodie und Rhythmus, die Tanzkunst allein den Rhythmus ohne Melodie; denn auch die Tänzer ahmen mit Hilfe der Rhythmen, die die Tanzfiguren durchdringen, Charaktere, Leiden und Handlungen nach. Diejenige Kunst, die allein die Sprache, in Prosa oder in Versen - Versen, indem sie entweder mehrere Maße miteinander vermischt oder sich mit einem einzigen Maß begnügt -, verwendet, hat bis jetzt keine eigene Bezeichnung erhalten. Denn wir können keine Bezeichnung angeben, die folgendes umgreift: die Mimen des Sophron und Xenarchos, die sokratischen Dialoge sowie - wenn jemand mit diesen Mitteln die Nachahmung bewerkstelligen will - die jambischen Trimeter oder elegischen Distichen oder sonstigen Versmaße. Allerdings verknüpft eine verbreitete Auffassung das Dichten mit dem Vers, und man nennt die einen Elegien-Dichter, die anderen Epen-Dichter, wobei man sie nicht im Hinblick auf die Nachahmung, sondern pauschal im Hinblick auf den Vers als Dichter bezeichnet. Denn auch, wenn jemand etwas Medizinisches oder Naturwissenschaftliches in Versen darstellt, pflegt man ihn so zu nennen. Homer und Empedokles haben indes außer dem Vers nichts Gemeinsames; daher wäre es richtig, den einen als Dichter zu bezeichnen, den anderen aber eher als Naturforscher denn als Dichter. Umgekehrt muß man jemanden, der Nachahmung bewerkstelligt, selbst wenn er hierbei alle Versmaße miteinander vermischt, wie etwa Chairemon den »Kentauren« als eine aus allen Versmaßen gemischte Rhapsodie gedichtet hat, als Dichter bezeichnen. Diese Dinge lassen sich also auf diese Weise voneinander abgrenzen. Es gibt nun Künste, die alle die oben genannten Mittel verwenden, ich meine den Rhythmus, die Melodie und den Vers, wie z. B. die Dithyramben- und Nomendichtung und die Tragödie und Komödie. Diese Künste unterscheiden sich dadurch, daß sie die genannten Mittel teils von Anfang bis Ende, teils abschnittsweise verwenden. Dies sind die Unterschiede der Künste, die durch die Mittel bedingt sind, mit deren Hilfe die Nachahmung bewerkstelligt wird.

Gedichte und Sprüche von Friedrich Nietzsche

An den Mistral

Ein Tanzlied

Mistral-Wind, du Wolken-Jäger,
Trübsal-Mörder, Himmels-Feger,
Brausender, wie lieb ich dich!
Sind wir zwei nicht Eines Schoßes
Erstlingsgabe, Eines Loses
Vorbestimmte ewiglich?

Hier auf glatten Felsenwegen
Lauf ich tanzend dir entgegen,
Tanzend, wie du pfeifst und singst:
Der du ohne Schiff und Ruder
Als der Freiheit freister Bruder
Über wilde Meere springst.

Kaum erwacht, hört ich dein Rufen,
Stürmte zu den Felsenstufen,
Hin zur gelben Wand am Meer.
Heil! da kamst du schon gleich hellen
Diamantnen Stromesschnellen
Sieghaft von den Bergen her.

Auf den ebnen Himmels-Tennen
Sah ich deine Rosse rennen,
Sah den Wagen, der dich trägt,
Sah die Hand dir selber zücken,
Wenn sie auf der Rosse Rücken
Blitzesgleich die Geißel schlägt, -

Sah dich aus dem Wagen springen,
Schneller dich hinabzuschwingen,
Sah dich wie zum Pfeil verkürzt
Senkrecht in die Tiefe stoßen, -
Wie ein Goldstrahl durch die Rosen
Erster Morgenröten stürzt.

Tanze nun auf tausend Rücken,
Wellen-Rücken, Wellen-Tücken -
Heil, wer neue Tänze schafft!
Tanzen wir in tausend Weisen.
Frei - sei unsre Kunst geheißen,
Fröhlich - unsre Wissenschaft!

Raffen wir von jeder Blume
Eine Blüte uns zum Ruhme
Und zwei Blätter noch zum Kranz!
Tanzen wir gleich Troubadouren
Zwischen Heiligen und Huren,
Zwischen Gott und Welt den Tanz!

Wer nicht tanzen kann mit Winden,
Wer sich wickeln muß mit Binden,
Angebunden, Krüppel-Greis,
Wer da gleicht den Heuchel-Hänsen,
Ehren-Tölpeln, Tugend-Gänsen,
Fort aus unsrem Paradeis!

Wirbeln wir den Staub der Straßen
Allen Kranken in die Nasen,
Scheuchen wir die Kranken-Brut!
Lösen wir die ganze Küste
Von dem Odem dürrer Brüste,
Von den Augen ohne Mut!

Jagen wir die Himmels-Trüber,
Welten-Schwärzer, Wolken-Schieber,
Hellen wir das Himmelreich!
Brausen wir ... o aller freien
Geister Geist, mit dir zu zweien
Braust mein Glück dem Sturme gleich. -

- Und daß ewig das Gedächtnis
Solchen Glücks, nimm sein Vermächtnis,
Nimm den Kranz hier mit hinauf!
Wirf ihn höher, ferner, weiter,
Stürm empor die Himmelsleiter,
Häng ihn - an den Sternen auf!



Antichrist 20

Der Buddhismus ist hundertmal realistischer als das Christentum, <> der Begriff "Gott" ist bereits abgetan, als er kommt.
Der Buddhismus ist die einzige eigentlich positivistische Religion, die uns die Geschichte zeigt, auch noch in seiner Erkenntnistheorie (einem strengen Phänomenalismus -), er sagt nicht mehr "Kampf gegen Sünde", sondern, ganz der Wirklichkeit das Recht gebend, "Kampf gegen das Leiden". <> er steht, in meiner Sprache geredet, jenseits von Gut und Böse.



Antichrist 32

Man könnte, mit einiger Toleranz im Ausdruck, Jesus einen "freien Geist" nennen - er macht sich aus allem Festen nichts:
<> die Erfahrung "Leben", wie er sie allein kennt, widerstrebt bei ihm jeder Art Wort, Formel, Gesetz, Glaube, Dogma. Er redet bloß vom Innersten: "Leben" oder "Wahrheit" oder "Licht" ist sein Wort für das Innerste -
<> Eine solche Symbolik par excellence steht außerhalb aller Religion, aller Kultbegriffe, <> aller Bücher, aller Kunst -
<> er hat nie einen Grund gehabt, "die Welt" zu verneinen, er hat den kirchlichen Begriff "Welt" nie geahnt ... Das Verneinen ist eben das ihm ganz Unmögliche.



Antichrist 33

In der ganzen Psychologie des "Evangeliums" fehlt der Begriff Schuld und Strafe; insgleichen der Begriff Lohn. Die "Sünde", jedwedes Distanzverhältnis zwischen Gott und Mensch ist abgeschafft - eben das ist die "Frohe Botschaft". Die Seligkeit wird nicht verheißen, sie wird nicht an Bedingungen geknüpft: Sie ist die einzige Realität - der Rest ist Zeichen, um von ihr zu reden ... <> - Ein neuer Wandel, nicht ein neuer Glaube ...



Antichrist 35

Dieser "frohe Botschafter" starb wie er lebte, wie er lehrte - nicht um "die Menschen zu erlösen", sondern um zu zeigen, wie man zu leben hat. Die Praktik ist es, welche er der Menschheit hinterließ

Gedichte und Sprüche von Johann Heinrich Pestalozzi

Fabel - Das Feuer und das Eisen

Das Feuer sagte zum Eisen: ich bin dein rechtmäßiger Herr. Das Eisen antwortete: ich kenne deine Gewalt über mich; aber ich achte sie nie weniger für rechtmäßig, als wenn du mich schmelzest. Diese Antwort mißfiel der hochfahrenden Flamme; sie kneisterte, rauchte und sprach: der mich schuf, gab mir meine Gewalt über dich. Das Eisen erwiderte: es sind indessen doch nur Menschenhände, die mich in die Esse und in den Tiegel legen. Ein Prachtgeländer von Eisen, das dieses Gespräch hörte, erwiderte: ich lobe mir das Feuer, das mich schmelzt, ich lobe mir die Zange, die mich in die Esse legt und die Menschenhand, die mich schmiedet, sonst wäre ich noch elendes Erz, deren es Berge voll hat, und auf das niemand achtet. So verschieden sind die Ansichten über den nämlichen Gegenstand, wenn sie von verschiedenen Standpunkten ins Aug' gefaßt werden.



Fabel - Das Hahnen-Geschrei

Meister Erdwust: "Warum kräht der Hahn allemal, ehe du aufstehst?"
Knecht Frohmut: "Damit ich noch einen Augenblick als ein Mensch denken könne, ehe ich als ein Vieh arbeiten muß."

***

Dieser Meister Erdwust sagte auch einmal zu seinem Knecht, es sei mit dem Ruhetag, den man den Sonntag heiße, eine bloße Narrheit, wir haben ja in der Woche sieben Ruhenächte.



Fabel - Das hohe Roß und der Zwerg

Ein Zwerg wollte hoch scheinen; dafür setzte er sich auf das höchste Roß, das im Lande war. Ein Bauer, der ihn antraf, glaubte, es sitze ein Kind auf diesem Roß, und sagte zu ihm: du hast gewiß keinen Vater daheim, daß man dich auf das höchste Roß setzt. Komm! ich will dir hinunter helfen; du könntest sonst zu Tode fallen.

Man denke sich jetzt die Augen des Zwergs, aber auch das Lachen des Bauers, da er sah und erkannte, wen er vor sich hatte.

***

Ich mag keinen Zusatz zu dieser Stelle machen.



Fabel - Das Schuhmaß der Gleichheit

Ein Zwerg sagte zum Riesen: ich habe mit dir gleiches Recht. Der Riese erwiderte: Freund! das ist wahr; aber du kannst in meinen Schuhen nicht gehen.

***

Das sollte man dem Dorfvogt antworten, der eine Stadtpolizei auf seinem Dorf haben möchte, und dem Stadtbürgermeister, der eine Macht vor seinem Rathaus und vor dem Stadttor, auf Kosten der Stadt, in fürstlicher Parade aufziehen zu machen gelüstete.



Fabel - Das zerrissene Herz

Als ein Hahn ein Küchlein aufs Blut pikte, und die Mutter dem Hahn ohne Gegenwehr zusah, entfloh das verwundete Küchlein unter einen Holzstoß, und kam nicht mehr hervor; so sehr auch die Henne ihm lockend rief, blieb es doch unbewegt unter dem Holzstoß, und starb voll gleichen Entsetzens über das Picken des Vaters und über das Zusehen der Mutter.

***

Wenn Teilnahme und Hilfe mangeln, wo Natur und Pflicht Hilfe gebieten, dann ergreift Entsetzen das verwahrloste Herz. Das ist bei einem Kinde wahr, dem die Eltern in diesem Grade mangeln. Es kann aber auch bei ganzen Menschenhaufen wahr werden; es kann das Herz eines Volkes ergreifen, das von denen, die es zu versorgen Pflicht und Eid auf sich haben, so auf eine herzzerreißende Weise verwahrlost, hintangesetzt und gedrückt wird.

Gedichte und Sprüche von Rainer Maria Rilke

Abisag

I

Sie lag. Und ihre Kinderarme waren
von Dienern um den Welkenden gebunden,
auf dem sie lag die süßen langen Stunden,
ein wenig bang vor seinen vielen Jahren.

Und manchmal wandte sie in seinem Barte
ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie;
und alles, was die Nacht war, kam und scharte
mit Bangen und Verlangen sich um sie.

Die Sterne zitterten wie ihresgleichen,
der Duft ging suchend durch das Schlafgemach,
der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen,
und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach.

Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten,
und von der Nacht der Nächte nicht erreicht,
lag sie auf seinem fürstlichen Erkalten
jungfräulich und wie eine Seele leicht.

II

Der König saß und sann den leeren Tag
getaner Taten, ungefühlter Lüste
und seiner Lieblingshündin, der er pflag-,
Aber am Abend wölbte Abisag
sich über ihm. Sein wirres Leben lag
verlassen wie verrufne Meeresküste
unter dem Sternbild ihrer stillen Brüste.

Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen,
erkannte er durch seine Augenbrauen
den unbewegten, küsselosen Mund;
und sah: ihres Gefühles grüne Rute
neigte sich nicht herab zu seinem Grund.
Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund
und suchte sich in seinem letzten Blute.



Abschied (4)

Wie hab ich das gefühlt was Abschied heisst.
Wie weiss ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen liess,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiss und nichts als dies:

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes-, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.



Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird.
Und lauscht hinaus. Den weissen Wegen
Streckt sie die Zweige hin bereit
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.



Alkestis

Da plötzlich war der Bote unter ihnen,
hineingeworfen in das Überkochen
des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz.
Sie fühlten nicht, die Trinkenden, des Gottes
heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit
so an sich hielt wie einen nassen Mantel
und ihrer einer schien, der oder jener,
wie er so durchging. Aber plötzlich sah
mitten im Sprechen einer von den Gästen
den jungen Hausherrn oben an dem Tische
wie in die Höh gerissen, nicht mehr liegend,
und überall und mit dem ganzen Wesen
ein Fremdes spiegelnd, das ihn furchtbar ansprach.
Und gleich darauf, als klärte sich die Mischung,
war Stille; nur mit einem Satz am Boden
von trübem Lärm und einem Niederschlag
fallenden Lallens, schon verdorben riechend
nach dumpfem umgestandenen Gelächter.
Und da erkannten sie den schlanken Gott,
und wie er dastand, innerlich voll Sendung
und unerbittlich, – wußten sie es beinah.
Und doch, als es gesagt war, war es mehr
als alles Wissen, gar nicht zu begreifen.
Admet muß sterben. Wann? In dieser Stunde.

Der aber brach die Schale seines Schreckens
in Stücken ab und streckte seine Hände
heraus aus ihr, um mit dem Gott zu handeln.
Um Jahre, um ein einzig Jahr noch Jugend,
um Monate, um Wochen, um paar Tage,
ach, Tage nicht, um Nächte, nur um Eine,
um Eine Nacht, um diese nur: um die.
Der Gott verneinte, und da schrie er auf
und schrie's hinaus und hielt es nicht und schrie
wie seine Mutter aufschrie beim Gebären.

Und die trat zu ihm, eine alte Frau,
und auch der Vater kam, der alte Vater,
und beide standen, alt, veraltet, ratlos,
beim Schreienden, der plötzlich, wie noch nie
so nah, sie ansah, abbrach, schluckte, sagte:
Vater,
liegt dir denn viel daran an diesem Rest,
an diesem Satz, der dich beim Schlingen hindert?
Geh, gieß ihn weg. Und du, du alte Frau,
Matrone,
was tust du denn noch hier: du hast geboren.
Und beide hielt er sie wie Opfertiere
in Einem Griff. Auf einmal ließ er los
und stieß die Alten fort, voll Einfall, strahlend
und atemholend, rufend: Kreon, Kreon!
Und nichts als das; und nichts als diesen Namen.
Aber in seinem Antlitz stand das Andere,
das er nicht sagte, namenlos erwartend,
wie ers dem jungen Freunde, dem Geliebten,
erglühend hinhielt übern wirren Tisch.
Die Alten (stand da), siehst du, sind kein Loskauf,
sie sind verbraucht und schlecht und beinah wertlos,
du aber, du, in deiner ganzen Schönheit –

Da aber sah er seinen Freund nicht mehr.
Er blieb zurück, und das, was kam, war sie,
ein wenig kleiner fast als er sie kannte
und leicht und traurig in dem bleichen Brautkleid.
Die andern alle sind nur ihre Gasse,
durch die sie kommt und kommt –: (gleich wird sie da sein
in seinen Armen, die sich schmerzhaft auftun).

Doch wie er wartet, spricht sie; nicht zu ihm.
Sie spricht zum Gotte, und der Gott vernimmt sie,
und alle hörens gleichsam erst im Gotte:
Ersatz kann keiner für ihn sein. Ich bins.
Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende
wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem
was ich hier war? Das ists ja, daß ich sterbe.
Hat sie dirs nicht gesagt, da sie dirs auftrug,
daß jenes Lager, das da drinnen wartet,
zur Unterwelt gehört? Ich nahm ja Abschied.
Abschied über Abschied.
Kein Sterbender nimmt mehr davon. Ich ging ja,
damit das Alles, unter Dem begraben
der jetzt mein Gatte ist, zergeht, sich auflöst –.
So führ mich hin: ich sterbe ja für ihn.

Und wie der Wind auf hoher See, der umspringt,
so trat der Gott fast wie zu einer Toten
und war auf einmal weit von ihrem Gatten,
dem er, versteckt in einem kleinen Zeichen,
die hundert Leben dieser Erde zuwarf.
Der stürzte taumelnd zu den beiden hin
und griff nach ihnen wie im Traum. Sie gingen
schon auf den Eingang zu, in dem die Frauen
verweint sich drängten. Aber einmal sah
er noch des Mädchens Antlitz, das sich wandte
mit einem Lächeln, hell wie eine Hoffnung,
die beinah ein Versprechen war: erwachsen
zurückzukommen aus dem tiefen Tode
zu ihm, dem Lebenden –

Da schlug er jäh
die Hände vors Gesicht, wie er so kniete,
um nichts zu sehen mehr nach diesem Lächeln.

Gedichte und Sprüche von Annette von Droste-Hülshoff

Alte und neue Kinderzucht l

I

In seiner Buchenhalle saß ein Greis auf grüner Bank,
Vor ihm, in grünlichem Pokal, der Rebe Feuertrank;
Zur Seite seiner Jugend Sproß, sich lehnend an den Zweigen,
Ein ernster Vierziger, vernahm des Alten Wort in Schweigen.

»Sohn«, sprach der Patriarch, es klang die Stimme schier bewegt:
»Das Kissen für mein Sterbebett, du hast es weich gelegt;
Ich weiß es, eine Träne wird das Leichentuch mir netzen,
In meinen Sessel wird dereinst ein Ehrenmann sich setzen.

»Zu Gottes Ehr' und deiner Pflicht und nach der Vordern Art
Zog ich in aller Treue dich, als schon dein Kinn behaart.
Nicht will die neue Weise mir zum alten Haupte gehen,
Ein Sohn hat seinen Herrn, so lang zwei Augen offen stehen.

»Mein Vater, — tröst' ihn Gott, er fiel in einem guten Strauß! —
War Diener seinem Fürsten und ein König seinem Haus,
Sein treues Auge wußte wohl der Kinder Heil zu wahren,
Den letzten Schlag von seiner Hand fühlt' ich mit zwanzig Jahren.

»So macht' er mich zum Mann, wie du, mein Sohn, zum frohen Greis,
Zum Mann, der tragen kann und sich im Glück zu fassen weiß.
Wie mag, wer seiner Launen Knecht, ein Herrenamt bezwingen?
Wer seiner Knospe Kraft verpraßt, wie möcht' er Früchte bringen?

»Nur von der Pike dient sich's recht zum braven General.
Gesegnet sei die Hand, die mir erspart der Torheit Wahl!
Mit tausend Tränen hab' ich sie in unsre Gruft getragen;
Denn eines Vaters heil'ge Hand hat nie zu hart geschlagen.

»Mein Haar ist grau, mein blödes Aug' hat deinen Sproß gesehn;
Bald füllst du meinen Sitz, und er wird horchend vor dir stehn.
Gedenk der Rechenschaft, mein Sohn, lehr' deinen Blick ihn lesen,
Gehorsam sei er dir, wie du gehorsam mir gewesen!«

So sprach der Patriarch und schritt entlang die Buchenhall',
Ehrfürchtig folgte ihm der Sohn, wie Fürsten der Vasall,
Und seinen Knaben winkt er sacht herbei vom Blütenhagen,
Ließ küssen ihn des Alten Hand und seinen Stab ihn tragen.


II

An blühender Akazie lehnt ein blonder, bleicher Mann,
Sehr mangelt ihm der Sitz, allein die Kinder spielen dran;
So schreibt er stehend, immer Ball und Peitschenhieb gewärt'gend,
Schnellfingrig für die Druckerei den Lückenbüßer fert'gend:

»In Osten steigt das junge Licht, es rauscht im Eichenhain,
Schon schlang der alte Erebus die alten Schatten ein,
Des Geistes Siegel sind gelöst, der Äther aufgeschlossen,
Und aus vermorschter Dogmen Staub lebend'ge Zedern sprossen.

»O Geistesfessel, härter du als jemals ein Tyrann,
Geschlagen um des Sklaven Leib, du tausendjähr'ger Bann!
Geheim doch sicher hat der Rost genagt an deinem Ringe,
Nun wackelt er und früchtet sich vor jedes Knaben Klinge!

»Hin ist die Zeit, wo ein Gespenst im Büßermantel schlich,
In seinen Bettelsack des Deutschen Gold und Ehre strich,
Wo Greise, Schulmonarchen gleich, die stumpfe Geißel schwenkten,
Des Sonnenrosses Zaum dem Grab verfallne Hände lenkten.

»Nicht wird im zarten Kinde mehr des Mannes Keim erstickt,
Frei schießt die Eichenlode, unbeengt und ungeknickt;
Was mehr als Wissen, wirkender als Gaben, die zerstückelt —
Des kräft'gen Wollens Einheit wird im jungen Mark entwickelt.

»Wir wuchsen unter Peitschenhieb an der Galeere auf,
Und dennoch riß das Dokument vom schnöden Seelenkauf
Durch deutsche Hand, durch unsre Hand, die, nach Ägyptens Plagen,
Noch immer stark genug, den Brand ans Bagnotor zu tragen!

»Ihr aber, die den ganzen Saft der Muttererde trinkt,
An deren Zweig das erste Blatt schon wie Smaragde blinkt,
Ihr« — unser Dichter stutzt — er hört an den Holundersträuchen
Sein Erstlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen.

Und auf der Bank — sein Manuskript — o Pest! sein Dichterkranz, —
Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachenschwanz!
Und — was? ein Guß? — bei Gott, da hängt der Bub, die wilde Katze,
Am Ast und leert den Wasserkrug auf seines Vaters Glatze!

Gedichte und Sprüche von Mani Matter

Alls wo mir id Finger chunnt (Liedtext)

Am Tag won i uf d'Wält bi cho, si hei mers speter gseit
Da het my Mueter grad deheim es Suppegschir verheit
Und sider ischs mys herte Los bis a mys Läbesänd
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ

I cha mer Müe gäh wi i wott, es nützt mer alles nüt
Was geschter no isch ganz gsy isch i tuusig Bitze hütt
Die Schärbehüüfe won i hinderla, die rede Bänd
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ

I han emal es Meitschi gchennt, s'isch truurig aber wahr
Es Meitschi ganz us Porzelan mit rabeschwarze Haar
Uf einisch isch es zue mer cho, het gseit: Jitz isch es z'Änd
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ

Und won i's du zum letschten Abschid a mys Härz ha trückt
Da han i's z'fescht umarmet und vor Liebi grad erstickt
I has nid äxtra gmacht, dir chöit mers gloube, Sackermänt
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ

Si hei mi vor e Richter gstellt und hei mi geschter ghänkt
Und won i scho bi ghanget, da uf ds Mal, wär hätt das tänkt
Da het dr Strick la gah im allerletschtischte Momänt
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ

Und sider blyben i Vagant und mache lieber nüt
Dir wärdet das begryffe, drum syt güetig, liebi Lüt
Und gryffet ou i ds Portmonee und gäht e mildi Spänd
Alls wo mir id Finger chunnt verbricht mer i de Händ



Är isch vom Amt ufbotte gs (Liedtext)

Är isch vom Amt ufbotte gsy, am Fritig vor de Nüne,
by Schtraf, im Unterlassigsfall, im Houptgebäud, Block zwo,
Im Büro 146 persönlich go z'erschiine,
Und isch zum Houptiigang am Halbi Nüüni inecho.

Vom Iigang, d'Schtäge uf, und de nach rächts het är sech gwändet,
isch dür'ne länge Gang, de wider rächts und de graduus,
de zrügg, und wider links, bis wo der Korridor het gändet,
de wider zrügg und gradus - witer meh und meh konfus.

I sött doch - het er dür die lääre Gäng grüeft - vor de Nüne,
by Schtrof im Ungerlassigsfall im Houptgebäud Block Zwo,
im Büro 146 persönlech ga erschiine
und dür die lääre Gäng do het me s'Echo ghört derfo.

Hie bin'i - het är dänkt - scho gsy, nei dert bim Egge chumme
ni veillecht wider... nei s'isch s'isch anders - warum geit's jetz da,
i ha doch gmeint... aha.. jetz no dert vorne einisch ume,
was isch de das, da geits... jetz weis i nümme won'i schtah.

Und dä wo isch ufbotte gsy am Fritig vor de Nüne,
by Schtrof im Ungerlassigsfall im Houptgebäud Block Zwo,
im Büro 146 persönlech ga z'erschiine,
isch immer witergloffe und isch nie meh ume cho.



Arabisch (Liedtext)

Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama
Het mal am Morge früe no im Pijama
Ir Strass vor dr Moschee
Zwöi schöni Ouge gseh
Das isch dr Afang worde vo sim Drama

S isch d Tochter gsy vom Mohamed Mustafa
Dr Abdel Assar het nümm chönne schlafa
Bis är bim Mohamed
Um d Hand aghalte hed
Und gseit: I biete hundertfüfzig Schaf a

Dr Mohamed het gantwortet: Bi Allah
Es fröit mi, dass my Tochter dir het gfalla
Doch wärt isch si, my Seel
Zwöhundertzwänzg Kamel
Und drunder chan i dir sen uf ke Fall la

Da het dr Abdel Assar gseit: O Sidi
Uf sone tüüre Handel gang i nid y
Isch furt, het gly druf scho
E billigeri gno
Wo nid so schön isch gsy, drfür e gschydi

Doch wenn es Nacht wird über der Sahara
Luegt är dr Mond am Himel häll und klar a
Und truuret hie und da
De schönen Ouge na
Und dänkt: Hätt i doch früecher afa spara



Ballade (Liedtext)

S'isch einisch eine gsy, dä het vo früech a drunder glitte,
das ihn die andre geng usglachet hei,
am Aafang het er grännet, het sech mit de andre gschtritte,
s'nützt nüt, das isch ja nume, was sy wei.

Wenn's mänge druurig macht, wo d'Lüt sech luschtig drüber mache,
s'hets sälte eine luschtig gmacht wie dä.
Är het sech gseit - nu guet, wenn Dir so gärn ab mir düet lache -
i will nech jetz e Grund zum Lache gä.

Und är isch häregange und het afa Witze risse,
dass d'Lüt sech jetz hei d'Büüch vor Lache gha,
het Witze gmacht, wo chutzele und Witze gmacht, wo bisse,
und het ke Antwort ohni Antwort gla.

Und i däm grosse Glächter wo's het gä ab syne Witze,
isch ihn uszlache keim i Sinn meh cho.
Da het är all die Lacher i däm Glächter in lo sitze,
und het sech himmeltruurig s'Läbe gno.



Betrachtige über nes sändwitsch (Liedtext)

Was isch es sändwitsch ohne fleisch - s'isch nüt als brot
Was isch es sändwitsch ohne brot - s'isch nüt als fleisch
Ersch wenn d'mit fleisch dys brot beleisch
Ersch wenn'd mit brot umgisch dys fleisch
Berchunnsch es sändwitsch: brot und fleisch
Lue, dass du däm geng rächnig treisch
Und zwar isch's wichtig, dass du folgendes o weisch
S'gnüegt nid, dass du ds brot eifach underleisch im fleisch
S'bruucht eis brot undefür, versteisch
Und eis wo d'obe drüber leisch
Nume wenn d'so drahäre geisch
'Berchunnsch es sändwitsch - eis mit fleisch

Ds problem vom anke chäm, das stimmt, de no derzue
S'geit drum, ne ja nid uf die lätzi syte z'tue
Du gsesch: du issisch, du barbar
Und füllsch dy buuch und wirsch nid gwahr
Was im'ne sändwitsch uf dym tisch
Für dialäktik drinnen isch
Für dialäktik drinnen isch

Gedichte und Sprüche von Wilhelm Busch

Abschied

Die Bäume hören auf zu blühn,
Mein Schatz will in die Fremde ziehn;
Mein Schatz, der sprach ein bittres Wort:
Du bleibst nun hier, aber ich muß fort.

Leb wohl, mein Schatz, ich bleib dir treu,
Wo du auch bist, wo ich auch sei.
Bei Regen und bei Sonnenschein,
Solang ich lebe, gedenk ich dein.

Solang ich lebe, lieb ich dich,
Und wenn ich sterbe, bet für mich,
Und wenn du kommst zu meinem Grab,
So denk, daß ich dich geliebet hab.



Ärgerlich

Aus der Mühle schaut der Müller,
Der so gerne mahlen will.
Stiller wird der Wind und stiller,
Und die Mühle stehet still.

So gehts immer, wie ich finde,
Rief der Müller voller Zorn.
Hat man Korn, so fehlts am Winde,
Hat man Wind, so fehlt das Korn.



Armer Haushalt

Weh, wer ohne rechte Mittel
Sich der Poesie vermählt!
Täglich dünner wird der Kittel,
Und die Milch im Hause fehlt.

Ängstlich schwitzend muß er sitzen,
Fort ist seine Seelenruh,
Und vergeblich an den Zitzen
Zupft er seine magre Kuh.



Auch er

Rührend schöne Herzgeschichten,
Die ihm vor der Seele schweben,
Weiß der Dichter zu berichten.
Wovon aber soll er leben?

Was er fein zusammen harkte,
Sauber eingebundne Werklein,
Führt er eben auch zu Markte,
Wie der Bauer seine Ferklein.



Befriedigt

Er 'hört, als eines von den Lichtern,
Die höher stets und höher steigen,
Bereits zu unsern besten Dichtern,
Das läßt sich leider nicht verschweigen.

Was weiß man von den Sittenrichtern? -
Er lebt von seiner Frau geschieden,
Hat Schulden, ist nicht immer nüchtern -
Aha, jetzt sind wir schon zufrieden.

Gedichte und Sprüche von Joseph von Eichendorff

Abend

Gestürzt sind die goldnen Brücken
Und unten und oben so still!
Es will mir nichts mehr glücken,
Ich weiß nicht mehr, was ich will.

Von üppig blühenden Schmerzen
Rauscht eine Wildnis im Grund,
Da spielt wie in wahnsinnigen Scherzen
Das Herz an dem schwindligen Schlund. –

Die Felsen möchte ich packen
Vor Zorn und Wehe und Lust,
Und unter den brechenden Zacken
Begraben die wilde Brust.

Da kommt der Frühling gegangen,
Wie ein Spielmann aus alter Zeit,
Und singt von uraltem Verlangen
So treu durch die Einsamkeit.

Und über mir Lerchenlieder
Und unter mir Blumen bunt,
So werf ich im Grase mich nieder
Und weine aus Herzensgrund.

Da fühl ich ein tiefes Entzücken,
Nun weiß ich wohl, was ich will,
Es bauen sich andere Brücken,
Das Herz wird auf einmal still.

Der Abend streut rosige Flocken,
Verhüllet die Erde nun ganz,
Und durch des Schlummernden Locken
Ziehn Sterne den heiligen Kranz.

Abendlich schon rauscht der Wald

Abendlich schon rauscht der Wald
Aus den tiefsten Gründen,
Droben wird der Herr nun bald
An die Sternlein zünden.
Wie so stille in den Schlünden,
Abendlich nur rauscht der Wald.

Alles geht zu seiner Ruh.
Wald und Welt versausen,
Schauernd hört der Wandrer zu,
Sehnt sich recht nach Hause.
Hier in Waldes stiller Klause,
Herz, geh endlich auch zur Ruh.



Abendständchen

Schlafe Liebchen, weils auf Erden
Nun so still und seltsam wird!
Oben gehn die goldnen Herden,
Für uns alle wacht der Hirt.

In der Ferne ziehn Gewitter;
Einsam auf dem Schifflein schwank,
Greif ich draußen in die Zither,
Weil mir gar so schwül und bang.

Schlingend sich an Bäum und Zweigen,
In dein stilles Kämmerlein
Wie auf goldnen Leitern steigen
Diese Töne aus und ein.

Und ein wunderschöner Knabe
Schifft hoch über Tal und Kluft,
Rührt mit seinem goldnen Stabe
Säuselnd in der lauen Luft.

Und in wunderbaren Weisen
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreisen
Hinter seinem Schifflein zieht.

Ach, den süßen Klang verführet
Weit der buhlerische Wind,
Und durch Schloß und Wand ihn spüret
Träumend jedes schöne Kind.



Abschied (1)

Laß, Leben, nicht so wild die Locken wehen!
Es will so rascher Ritt mir nicht mehr glücken,
Hoch überm Land von diamantnen Brücken:
Mir schwindelt, in den Glanz hinabzusehen.

»Vom Rosse spielend meine Blicke gehen
Nach Jüngern Augen, die mein Herz berücken,
Horch, wie der Frühling aufjauchzt vor Entzücken,
Kannst du nicht mit hinab, laß ich dich stehen.«

Kaum noch herzinnig mein, wendst du dich wieder,
Ist das der Lohn für deine treusten Söhne?
Dein trunkner Blick, fast möcht er mich erschrecken.

»Wer sagt' dir, daß ich treu, weil ich so schöne?
Leb wohl, und streckst du müde einst die Glieder,
Will ich mit Blumen dir den Rasen decken.«



Abschied (2)

O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!

Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!

Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte, schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Wards unaussprechlich klar.

Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.

Gedichte und Sprüche von Christian Morgenstern

(an einige)

Ihr kennt den Trost, der enttrübt,
die fern den Schranken:-
Werden draußen Taten geübt,
entsenden sie - Gedanken.

(an manche)

Ihr kennt es, das harte Leid,
heißt es entsagen,
mitzuwirken im Sturm der Zeit
zu neuem Gottestagen.

(an viele)

Ihr kennt sie, die Leidenschaft,
die uns verbindet:
Helfen, helfen, mit einer Kraft,
die alles überwindet.

»Brüder!«

Lied für ein neues Gesangbuch studierender Jugend

»Brüder!« - Hört das Wort!
Soll's ein Wort nur bleiben?
Soll's nicht Früchte treiben
fort und fort?

Oft erscholl der Schwur!
Ward auch oft gehalten -
doch in engem, alten
Sinne nur.

O sein neuer Sinn!
Lernt ihn doch erkennen!
Laßt doch heiß ihn brennen
durch euch hin!

Allen Bruder sein!
Allen helfen, dienen!
Ist, seit ER erschienen,
Ziel allein !

Auch dem Bösewicht,
der uns widerstrebet!
Er auch ward gewebet
einst aus Licht.

»Liebt das Böse - gut!«
lehren tiefe Seelen.
Lernt am Hasse stählen -
Liebesmut!

»Brüder!« - Hört das Wort!
Daß es Wahrheit werde -
und dereinst die Erde
Gottes Ort!

An den andern

Ich hatte mich im Hochgebirg verstiegen.
Die Felsenwelt um mich, sie war wohl schön;
doch konnt ich keinen Ausgang mir ersiegen,
noch einen Aufgang nach den lichten Höhn;

Da traf ich Dich, in ärgster Not: den Andern!
Mit Dir vereint, gewann ich frischen Mut.
Von neuem hob ich an, mit Dir, zu wandern,
und siehe da: Das Schicksal war uns gut.

Wir fanden einen Pfad, der klar und einsam
empor sich zog, bis, wo ein Tempel stand.
Der Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam...
Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.

Mag sein, wir stehn an unsres Lebens Ende
noch unterm Ziel, - genug, der Weg ist klar!
Daß wir uns trafen, war die große Wende,
Aus zwei Verirrten ward ein wissend Paar.